Die Caritas St. Heinrich und Kunigunde aus Bamberg überträgt in einem vom bayerischen Gesundheitsministerium geförderten Projekt in aktuell 14 stationären Einrichtungen die fachliche Verantwortung an Leading Nurses und verändert damit die Arbeitsweise und Kultur in den Häusern
Wir wollen handeln - das stand für die Caritas fest, als klar war, dass ein neues Personalbemessungsverfahren kommt. Warten auf Lösungen aus der Politik? Nein. Der Träger aus Bamberg und die Katholische Akademie Regensburg haben gemeinsam eine Idee entwickelt, wie hochwertige Pflege trotz Personalmangel sicherzustellen ist. Die Idee wurde zu einem Pilotprojekt mit beachtlicher finanzieller Förderung durch das bayerische Gesundheitsministerium. Die neue Pflegeorganisation "Leading Nursing" zieht nun in derzeit 14 Einrichtungen in Ober-, Mittelfranken und der Oberpfalz ein und verändert nicht nur die Pflegeprozesse, sondern auch die Kultur in den Häusern.
Das Ziel: Wir wollen ein gemeinsames Verständnis von professioneller Pflege in den Einrichtungen schaffen, mit vergleichbaren Strukturen und Prozessen. Kontinuität, Bewohnerorientierung und eine stabile und vertrauensvolle Pflegebeziehung zu den Pflegebedürftigen sowie deren Angehörigen sollen gewährleistet werden. Damit steigt auch die Attraktivität des Pflegeberufs.
Das Projekt: Wir haben drei Jahre Zeit, das Pflegeorganisationssystem "Leading Nurse" in unseren Pflegeeinrichtungen einzuführen. Ein Change - Prozess, der Organisations- und Personalentwicklung verzahnt. Alle Einrichtungen werden in die Entstehung der neuen Prozesse und Kommunikationswege einbezogen, der Träger stülpt nichts über. Gemeinsam vom Projektteam und den Einrichtungen wird bis Ende 2025 ein Rahmen - das "Musterhaus" - entwickelt, in dem sich die Häuser bewegen dürfen. In interdisziplinären Projektgruppen in den Einrichtungen sind alle Berufsgruppen an Bord: Pflegefachkräfte, Pflegehelfer:innen, Mitarbeiter:innen aus Hauswirtschaft und sozialem Dienst. An der Basis entstehen so Ideen: Prozesse und Kommunikationswege werden vor Ort erprobt. Begleitet und unterstützt werden die Einrichtungen von der Fachberatung des Trägers.
Das Musterhaus: Das Musterhaus gibt den Rahmen der neuen Pflegeorganisation vor. Es entsteht schrittweise in zahlreichen Workshops und Erprobungsphasen und gibt beispielsweise die Aufgaben der Leading Nurse vor, für wie viele Bewohner:innen sie verantwortlich ist, wie viele Dienste sie in der Woche hat und wie die Vertretungsregelung aussieht. Innerhalb dieses Rahmens können die Häuser auf individuelle Begebenheiten eingehen. Das Musterhaus wird am Ende des Projekts auf festen Mauern stehen und den Einrichtungen Orientierung bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitsweisen geben.
Die Leading Nurse: Leading Nurses sind Pflegefachkräfte, die die fachliche Führung in der Pflege übernehmen. Sie plnane, steuern und kontrollieren den Pflegeprozess für die ihr zugeordneten Bewohner:innen, sind erste Bezugspersonen für diese und deren Angehörige und erste Ansprechpersonen für andere Berufsgruppen in der Einrichtung sowie für medizinisches Personal. Sie sind die Instanz, die entscheidet, was an und mit den Bewohner:innen passiert und delegieren Maßnahmen an Pflegefach- und Hilfskräfte. Sie arbeiten wohnbereichsübergreifend und vertreten sich gegenseitig. Ihnen übergeordnet ist die Pflegedienstleitung.
Zusammenspiel aller Rollen: Durch die Einführung der Leading Nurse verändert sich die Zusammenarbeit aller Rollen in den Einrichtungen. Die Pflegedienst- und die Wohnbereichsleitung konzentrieren sich verstärkt auf ihre Koordinierungs- und Führungsaufgaben. Die Pflegefachkräfte beraten mit der Leading Nurse über Maßnahmen an den Bewohner:innen und erfahren Entlastung, indem diese Aufnahmen übernehmen, Angehörigengespräche und Fallbesprechungen führen. Damit werden die Pflegefachkräfte nicht mehr aus der "Pflege" herausgerissen, wenn beispielsweise eine Bewohner:in aus dem Krankenhaus zurückkehrt. Besonders den Pflegefachhelfer:innen kommt eine zentrale Stütze im Pflegealltag zu und sie werden mittelfristig auch als Schichtleitung eingesetzt. Pflegehlfer:innen konzentrieren sich auf die Grundpflege. Entlastung erfahren alle Rollen durch klare Entscheidungs- und Kommunikationswege - so auch die Pflegedienstleitung, die bei Herausforderungen im Alltag nicht mehr ständig eingreifen muss, sondern sich auf die Leading Nurses verlassen kann. Die Hauswirtschaft und der Soziale Dienst haben in den Leading Nurses verlässliche Ansprechpartner:innen.
Die Personalmaßnahmen: Die neue Pflegeorganisation orientiert sich an den Kompetenzen der Pflegenden, die somit effizient eingesetzt werden. Voraussetzung ist die zielgerichtete Qualifizierung der PFlegenden, die von der Katholischen Akademie Regensburg durchgeführt werden. Die Pflegefachkräfte, die Leading Nurse werden werden wollen, absolvieren eine Weiterbildung von 160 Stunden. Neben fachlichen Inhalten zielt sie vor allem auf ein erweitertes Rollenverständnis einer verantwortlichen und verantwortungsvollen Leitungsfunktion ab, die anleitet, führt und kontrolliert. Die ungelernten Pflegehelfer:innen werden durch mehrtägige Pflegebasiskurse befähigt und erreichen damit das Qualifikationsniveau 2. Auch die Pflegefachhelfer:innen bekommen einen Auffrischungskurs.
Die wissenschaftliche Begleitung: Die staatliche Förderung der Personalmaßnahmen sieht eine wissenschaftliche Evaluierung des Projekts vor, damit auch andere Träger von den Ergebnissen profitieren können. Die Evangelische Hochschule Nürnberg evaluiert die Erreichung der Ziele des Projekts in den Bereichen Rollenveränderungen und Verbesserung der Pflegequalität.
Dr. Ariane Schroeder ist zusammen mit Caritas St. Heinrich und Kunigunde für das geförderte Projekt Leading Nurse verantwortlich.
Quelle: CARE konrekt, Ausgabe 35/2024, Autorin: Annika Felderhoff